Hagar und Ismael

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Zwei der zum Engel-Ornat gehörigen Antependien sind in dieser Vitrine zu sehen, denn sie verbindet eine Besonderheit. Während das Trägergewebe bei Antependien normalerweise aus Leinen besteht, handelt es sich hier um einen weißen Silberlamé, der durch eingewebte Silberfäden einen schimmernden Glanz erhält, im Hintergrundbereich nur lasierend überstickt wurde und somit für einen ganz besonders malerischen Effekt sorgt. Da derart kostbare Stoffe im Barock in viel geringeren Webbreiten hergestellt wurden als Leinen, ist bei beiden Antependien etwa auf halber Höhe eine horizontale Naht zu erkennen, die zwei Stoffbahnen verbindet. Doch auch die Themen sind wiederum außergewöhnlich. Das eine zeigt die Geschichte von Hagar und Ismael (Gen 16; 17, 23-26; 21, 8-21). Abraham und seine Frau Sarah hätten so gern ein Kind gehabt. Doch sie waren schon sehr alt und wussten, dass die Zeit dafür vorüber war. Deshalb brachte Sarah in ihrer Verzweiflung ihre Dienerin Hagar mit Abraham zusammen und Hagar bekam einen Sohn, Ismael. Als schließlich auch Sarah in hohem Alter noch einen Sohn – Isaak – gebar, nagte die Eifersucht an ihr und sie forderte von ihrem Mann, Hagar und Ismael zu verstoßen. Und so schickte Abraham Hagar und Ismael in die Wüste. Als das mitgeführte Wasser verbraucht war, legte die Mutter ihren Sohn unter einen Strauch, denn sie konnte nicht mitansehen, wie ihr Sohn starb. An dieser Stelle setzt das Bild ein. Gott sandte einen Engel, der ihr prophezeite, dass Ismael wie sein Halbbruder Isaak Stammvater eines großen Volkes werden würde. Er öffnete ihr die Augen und sie erblickte eine Quelle, an der sie ihrem Sohn zu trinken geben konnte. In der christlichen Kunst verweist die rettende Quelle auf die Taufe und die alttestamentliche Hagar wird mit der kanaanäischen Frau vor Jesus verglichen.

© Autorin: Tanja Kohwagner-Nikolai, Bildrechte: Antependium mit Hagar und Ismael, Engel-Ornat, Ursulinenkloster Neuburg, 1. Hälfte 18. Jahrhundert, Foto: © Bayerische Schlösserverwaltung, Andrea Gruber / Rainer Herrmann, München